Gazzirola heisst der höchste und ausgedehnteste Berg im Sottoceneri. Seine nackten, steinigen Hänge erzählen von längst vergangenen Zeiten, als Hunger und Not die Menschen dazu drängten, die Wälder abzuholzen, um Brennholz für die Köhlereien und Viehfutter zu gewinnen. Jetzt ist diese Nutzung vorbei, und das steile Weideland erfreut die Wanderer, die vom grandiosen Panorama des Gipfels angelockt werden, aber auch die wenigen frei gebliebenen Kühe, die ihres Glücks bewusst das hohe Gras gierig abweiden.
Maglio di Colla - Certara - San Lucio - Rifugio Garzirola - Gazzirola - Alpe Pietrarossa - Colla - Maglio di Colla
Region: Val Colla
Höhe: 2116 m
Höhenunterschied: 1338 m
Distanz: 22 km
Fahrzeit: 3 - 5.5 Stunden
Nicht fahrbar: 15 - 35 Minuten
Jahreszeit: Mai - November
Fahrtechnik: 4
Kondition: 4
GPS-Daten: herunterladen
Karte: zeigen
Wir befinden uns in Maglio di Colla, einer kleinen Häusergruppe zu Füssen des südwestlichen Bergrückens des Gazzirola. Wir beginnen auf der langen Asphaltstrasse, die nach Certara ansteigt, in die Pedale zu treten. Dort schlagen wir eine Route für Mountainbike ein, die vom Verkehrsverein Lugano angelegt wurde. Die Strecke verschwindet bald im Wald, und unversehens sind wir auf einer kleinen Lichtung, wo die romanischen Kirchlein von San Lucio liegt, die das Ziel einer jahrlichen Begegnung von Schweizer Sennen und ihren italienischen Kollegen bildet.
Vom San Lucio fahren wir Richtung Norden auf dem Schotter, der auf der italienischen Seite den Gazzirola erklimmt. Zuerst wird der Aufstieg von schütterem Gestrüpp begleitet, doch nach der Alpe Tabano gelangen wir auf offenes Gelände. Bei der Berghütte Garzirola wird der Maultierpfad zum Wanderweg, auf dem wir das Mountainbike zum grossen Teil stossen müssen. In einer Viertelstunde erreichen wir das Bergkreuz und dann auf einer nicht so steilen Strecke den Gipfel.
Da oben schweift der Blick über die Wälder und die Maiensässe des Val Colla, die sich sanft gegen Südosten senken, als wollten sich in die offenen Arme des Ceresio werfen. In der Ferne sieht man die lombardischen Voralpen, an einem klaren Tag auch die Walliser Alpen und den unverwechselbaren Monte Rosa. Im Norden das wilde Val Serdena, das sich vergeblich zum Lago Maggiore vorbeugt, der vom Tamaro und der Cima di Medeglia abgeschirmt wird. Die prächtige Bergkette gegen Osten umschliesst das Val Cavargna und verbirgt den Comer See, der hin und wieder zwischen den Bergsatteln hervorguckt.
Wir stürzen uns zu Tal auf dem engen Westgrat, auf dem die Kühe die einzigen Wegspuren hinterlassen haben. Das erste Teilstück bietet viel Aussicht, doch unsere Augen sind auf den holprigen Boden gerichtet, der uns zwingt, im Schritttempo vorzugehen, um schlimme Stürze zu vermeiden. Nach einer Talmulde steigt der Weg wieder an zur Cima Moncucco. Hier sind wir wieder gezwungen, anspruchsvolle Passagen zu Fuss zu bewältigen, dann verlassen wir den Grat, um nach links abzusteigen, auf den holprigen Wiesen.
Nach vielen Stössen erreichen wir endlich ein ruhigeres Gelände. Wir kreuzen einen breiten Maultierpfad, dem wir nach links in sanfter Neigung folgen. Bald sind wir vor den Hütten der Alpe Pietrarossa. Kurz danach stossen wir auf eine Abzweigung, und es bleibt uns nichts anderes übrig, als der Schwerkraft zu folgen. Gerade Strecken mit kiesigem Boden flitzen unter unseren Rädern vorbei, während die Weiden dem Wald Platz machen und das Gebrumme des Verkehrs stärker wird. In Colla geraten wir auf die Kantonsstrasse, die wir sofort wieder verlassen: Auf der andern Seite erwartet uns ein Maultierpfad, der sich zwischen den Häusern senkt und erneut in den Wald eindringt. So können wir noch ein paar Kurven drehen, bevor wir unsere Tour in Maglio di Colla beenden.